
Zwischen Nähe und Freiheit: Wie unser Nervensystem Bindung, Trauma und Erziehung prägt. Autonomie und Verbundenheit bewusst leben – von Anfang an
- Eleni´s Wild
- 11. Mai
- 3 Min. Lesezeit
Einführung
Kinder brauchen Nähe.
Und sie brauchen Raum.
Was oft wie ein Widerspruch wirkt, ist in Wahrheit das Spannungsfeld, in dem sich gesunde Entwicklung bewegt: Autonomie und Verbundenheit sind zwei Grundbedürfnisse des Menschen – und sie entstehen durch gelebte Beziehung.
Wie können wir also Kinder so begleiten, dass sie beides erfahren dürfen? Und was hat das mit unserem Nervensystem, unserer eigenen Prägung und möglicherweise auch mit Trauma zu tun?
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Das Nervensystem als Bindungsnavigator
Unser Nervensystem ist darauf programmiert, Sicherheit zu suchen – vor allem in zwischenmenschlichen Beziehungen. Das autonome Nervensystem (ANS) reagiert blitzschnell auf Reize, scannt permanent nach Gefahr oder Verbindung (neurozeptiv) und beeinflusst unser Verhalten, lange bevor wir bewusst darüber nachdenken.
Stephen Porges’ Polyvagal-Theorie beschreibt dabei drei Hauptzustände:
1. Verbundenheit und soziale Nähe (ventral-vagaler Zustand)
2. Kampf oder Flucht (sympathische Aktivierung)
3. Erstarrung, Rückzug, Dissoziation (dorsaler Vagus)
Kinder lernen über ihre Bezugspersonen, wie sie mit diesen Zuständen umgehen. Ein reguliertes Nervensystem bei den Eltern wirkt wie ein Anker – und schafft die Voraussetzung für sichere Bindung.
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Was Trauma wirklich ist – und was es mit Autonomie macht
Trauma ist nicht das, was passiert ist – sondern das, was im Körper zurückbleibt, wenn eine Erfahrung überwältigend war und nicht verarbeitet werden konnte (Peter Levine). Besonders Entwicklungstrauma entsteht, wenn über längere Zeit emotionale Resonanz fehlt – also das Gefühl, mit dem eigenen Erleben nicht willkommen zu sein (wie es Gopal Norbert Klein beschreibt).
Auch Verena König betont immer wieder: „Trauma ist Bindungsverlust – zu anderen, vor allem aber zu uns selbst.“
Kinder, die früh gelernt haben, sich anzupassen, um geliebt zu werden, entwickeln oft Bindungsstrategien statt echter Bindung. Autonomie wird dann zur Bedrohung – weil sie mit dem Risiko einhergeht, die Beziehung zu verlieren.
Satya Marchand, Therapeutin und Ausbilderin in körperorientierter Traumaarbeit, spricht in diesem Kontext von einer gesunden Differenzierung: der Fähigkeit, bei sich zu bleiben und gleichzeitig in Kontakt zu sein. Eine Kompetenz, die nicht angeboren ist – sondern entwickelt werden muss.
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Der Körper erinnert sich – und heilt dort auch
Traumatische Prägungen sind nicht rein psychisch – sie sind somatisch. Der Körper speichert sie in Form von Spannungen, Haltungen, Reflexen und Vermeidungsverhalten.
Peter Levine (Somatic Experiencing) und David Berceli (TRE – Tension & Trauma Releasing Exercises) haben Methoden entwickelt, um diese Spannungen über den Körper sanft zu lösen – ohne retraumatisierende Wiederholung.
Auch mein eigenes bewegtes Neurocoaching baut auf dieser Erkenntnis auf:
In der Bewegung, in der Natur, im Spüren entstehen neue Erfahrungen von Sicherheit, Regulation und Beziehung.
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Bindungsorientierte Erziehung – jenseits von Kontrolle
Bindungsorientierte Begleitung bedeutet nicht, alles durchgehen zu lassen. Sondern:
– Kinder ernst zu nehmen in ihren Bedürfnissen
– Klar und präsent zu führen
– Emotionale Sicherheit durch Regulation, nicht durch Macht zu schaffen
Die Psychologin Dr. Shefali Tsabary (Conscious Parenting) fordert Eltern auf, sich selbst als Quelle zu betrachten: „Nicht das Kind ist zu formen – sondern wir selbst sind aufgerufen, bewusster zu werden.“
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5 konkrete Impulse für Eltern & Begleitende
1. Reguliere zuerst dich selbst
Dein Nervensystem ist das Vorbild – nicht deine Worte. Nutze Atmung, Berührung, Natur und Stille, um in Balance zu bleiben.
2. Erkenne das Kind hinter dem Verhalten
Jedes Trotzverhalten, jeder Rückzug ist ein Kommunikationsversuch des Nervensystems. Was braucht das Kind gerade wirklich?
3. Halte Raum statt zu kontrollieren
Präsenz ist kraftvoller als Anweisung. Sicherheit entsteht in Resonanz, nicht durch Druck.
4. Gib Freiraum – und bleib da
Autonomie bedeutet nicht, sich zurückzuziehen. Es bedeutet, das Kind zu ermutigen, eigen zu sein – bei gleichzeitiger Verbundenheit.
5. Heile deine Geschichte – für die nächste Generation
Kinder zeigen uns oft unerlöste eigene Muster. Körperorientierte Traumaarbeit, Coaching oder Therapie kann helfen, diese bewusst zu machen und zu transformieren.
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Fazit: Beziehung ist Regulation – und Wachstum
Wenn wir uns bewusst mit unserem Nervensystem, unseren Bindungsmustern und Traumaspuren auseinandersetzen, entsteht ein neuer Raum:
Einer, in dem Autonomie und Verbundenheit koexistieren dürfen.
Ein Raum, in dem Kinder sich entfalten – und Erwachsene heilen dürfen.
In meinem bewegten Neurocoaching @ lerntraumanatur.com begleite ich dich und/oder dein Kind auf diesem Weg – körpernah, naturverbunden und traumasensibel.
Denn echte Freiheit in Beziehung beginnt im Körper.
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