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Wenn die intensiv- pädagogische Reise endet – und das Leben weitergeht. Jugendhilfe als Auszeit

Gedanken nach einer intensiven Zeit in Nordgriechenland


Seit einigen Jahren begleite ich im Rahmen Intensivpädagogischer Einzelmaßnahmen (ISE) *1

junge Menschen in Krisenzeiten auf besondere Reisen.

Diese Projekte sind mehr als nur Auszeiten – sie sind pädagogische Prozesse in Bewegung:

ein 1:1-Setting fern vom Alltag, mit traumapädagogischem Coaching, naturbezogenem Leben, klarem Rahmen – und vor allem mit Beziehungsarbeit auf Augenhöhe.

Handyfreie Tage, einfache Unterkünfte oder Campen, gemeinsames Kochen, Touren durch die Natur.

Ein Retreat für junge Menschen, die sonst schwer erreichbar sind – und ein Raum, in dem Beziehung, Selbstwirksamkeit und Vertrauen wachsen können.


Nun geht wieder eine dieser intensiven Reisen zu Ende.

Wie immer: Nordgriechenland.

Wieder intensive Tage voller Begegnung, Sonne, Gespräche, Reibung, Wachstum – und dieser besonderen Nähe, die entsteht, wenn junge Menschen sich wirklich öffnen.

Wunder-sam, anstrengend, lebendig.

Und hoffentlich: nachhaltig.


Doch jetzt, wo der Alltag langsam wieder ruft, spüre ich, wie schwer dieser Übergang sein kann. Nicht nur für die Jugendlichen – auch für uns Begleiter*innen. Denn eine Reise wie diese endet nie einfach mit der Rückfahrt. Sie klingt nach. Und sie fordert heraus.




Rückkehr braucht Planung – nicht nur Hoffnung


Eine solche Maßnahme darf kein Ausnahmezustand sein, sondern Teil eines größeren Entwicklungsprozesses.

Schon vor dem Aufbruch muss klar sein:


Was passiert, wenn die Reise vorbei ist?


Wie sieht die Anbindung an den Alltag aus?


Wer hält die Fäden in der Hand, wenn der vertraute Reise-Rahmen wegfällt?



Ohne diese Planung wird Rückkehr schnell zur Überforderung – und das Gefühl, „alles war umsonst“, wächst leise im Hintergrund.





Beziehung braucht Brücken


Auf der Reise entsteht Bindung – echte, spürbare. Vertrauen, Humor, manchmal Streit, oft Nähe.

Gerade deshalb darf diese Beziehung nicht abrupt enden.

Ein Abschlussgespräch, ein gemeinsamer Rückblick, vielleicht ein Wiedersehen – all das hilft, den Übergang zu gestalten.

Denn junge Menschen brauchen das Gefühl: „Du bist nicht einfach weg.“

Beziehung ist kein Projekt – sie ist das Fundament, auf dem Entwicklung ruht.





Der Alltag muss Entwicklung halten können


Die große Frage nach jeder Rückkehr lautet:

Wie kann das, was unterwegs gewachsen ist, im Alltag Platz finden?

Wenn das Umfeld zu Hause unverändert bleibt – dieselben Strukturen, Konflikte, Routinen – ist Rückfall fast unvermeidlich.

Darum lohnt sich die gemeinsame Reflexion:


Welche kleinen Veränderungen können helfen, Neues zu halten?


Wie kann der Alltag offener, flexibler oder beziehungsorientierter werden?



Nachhaltige Entwicklung entsteht dort, wo Alltag und Erfahrung sich verbinden dürfen.





Fachkräfte brauchen Rückmeldung


Auch die Weiterarbeit im pädagogischen System braucht Klarheit.

Was ist passiert? Was hat gewirkt? Was war schwierig?

Nur durch Rückmeldung und Austausch kann Weiterarbeit sinnvoll anknüpfen.

Ich erlebe oft, dass dieser Schritt zu kurz kommt – dabei ist er entscheidend, damit das Erlebte in die nächsten Schritte übersetzt werden kann.





Der Blick bleibt nach vorn


Rückschritte gehören dazu.

Sie sind kein Scheitern, sondern Teil des Weges.

Wichtig ist, dass junge Menschen erleben:

„Ich darf Neues ausprobieren – und wieder stolpern. Nichts davon ist verloren.“





Fazit: Die Reise endet nicht – sie verändert nur ihre Form


Wenn ich an Nordgriechenland denke, bleibt Dankbarkeit.

Für das Vertrauen, die Offenheit, das gemeinsame Ringen um Entwicklung.

Aber auch die Erinnerung daran, dass jede Reise nur ein Abschnitt ist.


Die eigentliche Arbeit beginnt, wenn die Koffer wieder im Flur stehen.

Dann braucht es Beziehung, Haltung und Klarheit – damit das, was unterwegs gewachsen ist, auch im Alltag Wurzeln schlagen kann.



*1.: Die Intensivpädagogische Einzelbetreuung (ISE) ist eine Hilfemaßnahme nach § 35 SGB VIII im Rahmen der Hilfen zur Erziehung. Sie richtet sich an junge Menschen, die in regulären Betreuungssettings (z. B. Wohngruppe oder Pflegefamilie) nicht ausreichend gefördert werden können.

Die Maßnahme wird vom zuständigen Jugendamt individuell bewilligt und öffentlich finanziert.

 
 
 

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